INTERVIEW: ORKUS MAGAZIN 9/98




Entnommen vom Orkus Magazin Ausgabe nummer 9 von 98





Orkus: Tom Kleinschmidt hat dich auf dem Wave Gotik treffen gesehen und möchte von dir wissen, wie es dir in Leipzig gefallen hat? Und welche Konzerte du besucht hast?

Peter: Ach, eigentlich ganz gut. Ich find es immer recht witzig, wenn da so um die 9000 "Schwarzkittelchen" rumlaufen.

0: Hast du dann keine Probleme damit, ständig angesprochen zu werden, schließlich bist du ja recht bekannt?

P: Nee, ich werde einfach kaum erkannt. Gerade auch, weil ich 'ne ganz andere Frisur hatte als auf den letzten Konzerten. Was ich mir angeschaut habe, ...fast alle Veranstaltungen in der großen Halle.

0: Sorry, aber ich war noch nie in Leipzig.

P: Er weiß das dann schon...(lacht)!

0: Was versprecht ihr euch von der US-Tour, ist seine zweite Frage?

P: Ja, was versprechen wir uns eigentlich... Wir versuchen, so sorglos an die Sache her- anzugehen wie möglich, man ist halt aufgeregt; wir versprechen uns, daß wir gut ankommen, das hoffen wir zumindest.

0: Ich habe heute Nachmittag noch das Gästebuch eurer Homepage besucht, und man kann den Einträgen der Leute aus Übersee eine gewisse Euphorie entnehmen, so wie sie hier in Deutschland vor etwa drei bis vier Jahren anzutreffen war. Wie erfolgreich seid ihr in den Staaten?

P: Das werden wir dann sehen, ich habe keine aktuellen Verkaufszahlen. Es sind aber auf jeden Fall weitaus weniger verkaufte Alben als in Deutschland bzw. Europa.

0: Ihr werdet als Vorgruppe von Front 242 vier Wochen durch die Staaten touren. Eine sehr harte Angelegenheit.

P: Ja, schon. Aber wir werden auch nur maximal 60 Minuten pro Abend spielen, und von daher geht das schon.

0: Beglückt ihr die Amis denn auch mit der Live-Show, wie sie fürs europäische Publikum bestimmt ist?

P: Nee, auf keinen Fall. Einfach aus dem Grund, weil unsere Show dafür mit einem viel zu hohen technischen Aufwand verbunden ist. Das läßt sich einfach nicht realisieren, zumal wir auch so schon enorm viel draufzahlen müssen.

0: Das Ganze ist also eher ein Erlebnisurlaub in den Staaten?

P: Das nun nicht, aber es ist schon ein bi8chen wie hier vor sechs Jahren. Lightshow haben wir so gut wie gar nicht, alles so richtig schön hand-made, back to the roots!

0: "Eon:Eon" wird euer neues Album sein, was hat es damit auf sich?

P: "Eon" kommt aus dem Griechischen und bedeutet Ewigkeit. Die Platte heißt also "Ewigkeit: Ewigkeit".

0: So, und wie lautet denn das Ergebnis?

P: Wie?

0: Der Titel läßt auf einen Wettbewerb schließen, Ewigkeit gegen Ewigkeit.

P: Genau, wir haben auf der Platte eine Welt geschaffen, die möglicherweise in 200 Jahren spielt- eine Zukunftsvision. Es ist dann wie ein Spiegel, z.B. in dem Song "I Live Your Dream"; der Held der Geschichte sieht das Geschehen aus der Zukunft in die Vergangenheit und bedankt sich auf ironische Weise dafür, daß er unsere Träume leben durfte, was für ihn dann nicht ganz so witzig ist.

0: Erzähl' doch noch ein wenig mehr darüber.

P: Wir haben also eine Welt geschaffen, in der die Menschen von einem Computer gesteuert und manipuliert werden. Aber aufgrund der Tatsache, daß der Computer nicht mehr gewartet wird, gibt er immer mehr wirres, unkontrolliertes Zeug von sich. Unsere Hauptfigur erkennt diesen Umstand und gewinnt somit ein Stück ihrer Freiheit wieder. Sie erfährt, wie es ist, zu lieben oder zu träumen. Alles in allem eine sehr düstere Zukunftsvision.

0: Deckt sich diese Vision mit eurer Prognose für die Zukunft?

P: Es kann so sein, klar. Es ist schon angelehnt an die ganze Problematik, wie Genmanipulation und Kloning, unter dem Aspekt, daß die Menschheit nicht dazulernt, sondern auch weiterhin zerstört und auf Computer vertraut und immer mehr Verantwortung abgibt. Vieles sind auch Geschichten, die so heute schon möglich sein könnten. Ich vertrete beispielsweise die Ansicht, daß es alles, was du dir vorstellen kannst an Technologie oder Grausamkeit, schon gab oder gibt, irgendwo auf dieser Erde.

0: Wohl aber nicht solche Phantastereien wie Alien-Monster, oder?

P: Nein, sowas nicht. Aber zum Beispiel das Thema Kloning. Wir wissen, daß ein Schaf geklont worden ist, genauso auch eine Kuh; du kannst davon ausgehen, daß der Forschungsdrang einiger Leute in irgendwelchen verborgenen Laboratorien so groß ist... es wurden mit Sicherheit auch schon Menschen geklont. Da wurden jetzt auch Akten geöffnet, wo aufgeführt wird, welche Atomtests gemacht wurden, welch sinnlose Tests an Mensch und Tieren. Da fällst du vom Glauben ab, wenn du liest, was alles gemacht wurde. Die haben z.B. Hunderte von Affen in einen Blitz starren lassen, wobei sie genau wu8ten, was passieren wird, klar, die Affen werden blind, und dennoch haben sie es getan, einfach, um wirklich zu wissen, daß es so ist. Oder in Südamerika, wo Kinder als Ersatzteillager, also als billige Organbank herhalten müssen, wenn irgendein Reicher eine neue Leber oder ein Herz benötigt. Das sind ja keine Zukunfts-Horror-Fantasien, das konnte man überall in der Presse nachlesen.

0: Wie kommt es, daß ihr mit "Carnival" nun noch eine zweite Maxi vor dem eigentlichen Album veröffentlicht? Dies ist für euch ja eher ungewöhnlich.

P: Das liegt daran, daß wir auf den Geschmack gekommen sind, Videos zu drehen. Das hei8t, eigentlich wollten wir das schon immer machen, hatten aber nicht die finanziellen Mittel dazu. Bei EastWest haben wir diese Mittel nun, und das wollen wir natürlich auch auskosten. Deswegen wird jetzt zu "Carneval" ein Video gedreht. Auf der Maxi soll dann noch "Cravitation Zero" mit drauf sein und eine neue Version von "The Liar", weil wir mit dem Original nicht so ganz zufrieden sind. Und dann eben noch diverse Remixe.

0: An dieser Stelle noch eine weitere Frage von Tom Kleinschmidt. Dieser möchte wissen, wie es dazu gekommen ist, daß ihr nun so viele Mixe mit auf den Maxis habt, obwohl ihr euch früher dagegen ausgesprochen habt?

P: Ich habe bei der "Steelrose"-Maxi festgestellt, daß Mixe unglaublich unterschiedlich klingen können, so daß man eigentlich sagen kann, es handelt sich um neue Songs.

0: Wird die neue Maxi dann ebenfalls Remixe von anderen Bands beinhalten?

P: Ja. Wir haben von vornherein Bands ausgewählt, wo wir wissen, daß die einzelnen Remixe sehr unterschiedlich ausfallen werden. Diesmal werden es höchstwahrscheinlich Die Krupps, Junkie XL und Covenant sein.

0: Eine sehr interessante Auswahl. Hätte man sich vor ein paar Jahren in dieser Form sicherlich nicht vorstellen könne. Wie sieht es denn im umgekehrten Fall aus, habt ihr mittlerweile mehr Interesse, als Remixer tätig zu sein?

P: Schon immer gehabt (lacht)! Habe ich jetzt auch lang und breit getan. Ich habe etliche Remixe für Joachim Witt gemacht.

0: Echt, habe ich gar nicht mitbekommen.

P: Nunnja, das kriegt man halt nicht so mit.

0: Ihr seid mit den Aufnahmen fürs neue Album fertig?

P: Ja, ganz durch und fertig und super!

0: Hat es sich also gelohnt, daß ihr diesmal alle zusammengearbeitet habt?

P: Ja.

0: Würdet ihr auch noch mal so machen.

P: Ich denke schon.

0: Und wieviel Stücke habt ihr nun für uns?

P: 13.

0: Und die Songs der Maxis sind ebenfalls mit drauf?

P: Nicht ganz. Wir haben geplant, insgesamt drei Maxis zu veröffentlichen, einfach aus dem Grund, weil wir drei Videos machen wollen. Auf "Carnival" ist ja die neue Version von "The Liar" und ein Bonusstück, und auf der letzten Maxi wird dann ebenfalls ein ganz neues Stück mit drauf sein.

0: Und wann gibt's die Deutschland-Tour?

P: Im Januar. Wir sind noch am Überlegen, wie wir das Ganze etwas anders gestalten können als sonst. Man muß ja heutzutage den Leuten immer wieder etwas Anderes bieten, wir können es uns also nicht leisten, nochmals die gleiche Schiene zu fahren wie auf den letzten beiden Touren.

0: Also neue Show, mit toller Vorgruppe?

P: Ja, mit toller Vorgruppe, geplant sind Covenant.

0: War das euer Wunsch?

P: Jürgen hat sie ja auf der letzten Tour gemixt, und wir verstehen uns privat recht gut, und deshalb sind sie erste Wahl.

0: Der Homepage habe ich auch entnommen, daß diesmal mit "7" wieder ein deutsches Stück dabei ist.

P: Voreilig mal wieder.

O: Voreilig?

P: Ja, klar. Denn "7" war der Arbeitstitel, jetzt heißt es "Eon". Ein Liebeslied.

O: Ein Liebeslied, aha.

P: In Deutsch, ohne gerolltes "R" (lacht).

O: So etwas kann ja auch in die Hose gehen.

P: Wird sich zeigen.

O: Noch beim letzten Gespräch hast du gemeint, daß du eurem Video weniger als 1% Chance gibst, daß es auf VIVA bzw. MTV gezeigt wird. So war ich sicherlich überrascht, "Steelrose" auf VIVA 2 zu sehen.

P: Ja, wir auch!

O: Was denkst du, woran das gelegen hat?

P: Möglicherweise daran, daß VIVA 2 nun versucht, etwas alternativer zu werden.

O: Mal was anderes: wie waren denn die Reaktionen auf eure doch recht untypischen Pressefotos?

P: Im näheren Umfeld eigentlich durchweg positiv. Sicher gibt es aber auch die Leute, die meinen, "Ihhh, die haben ja schwarze Fingernägel!". Wir finden schwarze Fingernägel aber toll, vor allem auf Tour... da sind sie unheimlich praktisch!

O: Scheubi steht der Hut ja wirklich toll...

P: Ja, Scheubi ist der geborene Cowboy. Der ist wie für die Hüte gemacht, der Herr.

O: ....fühlst du dich in deiner Rolle ebenfalls gut?

P: Ja klar, das sind eben Einflüsse, die ich aus Italien mitgenommen habe, dort stört sich keiner daran, da ist sowas völlig normal. Wir Deutsche, in der "Gruft-Szene", sind sowieso ale so unglaublich konservativ, da wird nur anerkannt, was der andere eben auch schon hat. Viel lieber wird darum gewetteifert, wer denn nun am gruftigsten ist. Ich finde diesen "Fun-Aspekt" eben irgendwie recht gut.

O: Und den findet man in Italien?

P: Der ist eigentlich auch in Amerika sehr stark vorhanden, aber in Deutschland halt nicht. Ich habe das Gefühl, daß die "Gruft-Szene" in Deutschland mittlerweile "Popper der 90er" sind, mit den ganzen Vorurteilen und Grüppchenbildung und Lästern hier und Lästern da. Viele finden sich einfach verdammt cool, und alle andere sind natürlich peinlich, das ist eine Haltung, wie ich sie von den "Poppern" in den 80ern her kenne. Es gibt innerhalb unserer Szene...das ist jetzt Szene-Kritik, ich finde, das wird echt Zeit. Ich bewege mich nun schon seit etlichen Zeiten in dieser Szene und ich mußte stellen, es gibt immer Nörgler und Leute, die mit irgend etwas unzufrieden sind, sei es nun mit Bands oder mit neuen Leuten, das fängt ja schon damit an, daß früher die Leute die weniger als ein halbes Jahr "Grufties" waren, "Fraggles" genannt wurden. Das sind häufig Leute, die sich mit einer Band identifizieren, und wenn diese dann bekannter wird, ist sie plötzlich schlecht und kommerziell. Die meisten von diesen Obernörglern sind sowieso nach drei Jahren verschwunden und gehen ihrem geregelten Leben nach, kriegen Kinder, haben ein Haus... und basta, das war's. Vorher hat mich z.B. einer gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, in zehn Jahren noch Pitchfork zu machen...

0: Und?

P: Das hängt ja nicht nur von uns ab, sondern auch davon, ob wir es schaffen, die Leute noch anzusprechen. Aber überlege doch mal, die Obernörgler, was wollen die denn? Die wollen doch, daß wir 2008 noch so klingen wie auf der "Lam-'bras". Das heißt, wir würden immer die gleichen Leute ansprechen, doch sind diese Nörgler in 15, 16 Jahren noch "Grufties", ...nee! Ich denke, man muß immer offen sein für neue Ideen, die Szene beleben mit neuen Impulsen. Das fängt ja schon beim Outfit an. Als ich anfing, da war dieser "Wasted Baroque"-Look in, zumindest hier in Hamburg. Den findest du jetzt kaum noch. Ich kann jetzt auch nicht verlangen, daß alle Mädchen diesen Style tragen. Es muß sich einfach weiterentwickeln. Und das tut es auch, aber es gibt wie gesagt immer diese Nörgler, die so super konservativ sind, noch viel stärker als Leute von außerhalb.

0: Absolut!

P: Man kann einfach nicht immer und immer das Gleiche machen. Stillstand ist der Tod.

An dieser Stelle verabschiedet sich Peter, und Scheubi ergreift das Wort.

O: Gleich als Einstieg auch für dich eine Leserfrage: Nicole Heckert möchte wissen. Ob es stimmt, daß du aussteigen willst?

Scheubi: Waaas?.... Ich hatte noch nie Bock (lacht).

O: Gut gekontert.

S: Nee, natürlich nicht. Das kommt möglicherweise davon, daß ich nicht mehr ganz so den Bezug zu dieser Szene hab', ich steck' da nicht mehr so drin... ist aber lustig, solche Gerüchte halten die Band am Leben. Was hat denn Peter gemeint?

0: Der meinte auch, daß du noch nie Bock hattest...

S: (lach...lach...) Ich, ich muß Peter ab und zu ein bißchen verprügeln, und hinterher setzt er dann solche Gerüchte in die Welt.

0: Peter hat vorher ein wenig Szene-Kritik geübt, mutig von ihm, oder?

S: Wir sind beide mit der Szene groß geworden, er hat das Gefühl, genauso wie ich, es gibt mir einfach nicht mehr so viel; ich hab' zwar noch meinen Freundeskreis in der Szene, daran liegt mir auch sehr viel, aber in vielerlei Hinsicht ist mir die Szene zu ignorant. Sie ist mir einfach zu engstirnig, und das kann ich nicht nachvollziehen. Ich weiß nicht, woran das liegt, alles wächst aufeinander zu, nur die wollen scheinbar ihre eigene Welt erhalten, und das ist eigentlich nicht mein Ziel.

0: Wo fühlst du dich dann zugehörig?

S: Ich weiß, wo ich hingehöre, aber das hat nicht viel mit einer Szene zu tun, es sind einfach Leute, die mir nahestehen, und das gibt mir Halt. Da ist es völlig egal, woher die kommen.

0: Wie war es für dich, als du zum ersten Mal euer Video auf VIVA 2 gesehen hast?

S: Beim ersten Mal ganz interessant, so yeahh!

0: Mittlerweile ist es also schon alltäglich?

S: Nee, man freut sich schon, daß es gesendet wird; es ist im ersten Augenblick etwas komisch, aber dann ist es schön.

0: Das Video ist sehr ansprechend, war wohl auch nicht ganz billig?

S: Eigentlich nicht; wir haben schon versucht, nicht zu viel Geld auszugeben. Zum Beispiel kosten Außenaufnahmen weitaus mehr Geld, das sind unbezahlbare Summen. Aber bei EastWest haben wir jetzt eben die Möglichkeit, endlich auf vernünftigem Niveau mit dem Medium Video zu arbeiten, was ja schon seit langem unser Wunsch war.

0: "Carnival" wird dann wohl auch etwas aufwendiger?

S: Ja, es wird etwas mehr kosten, da wir auch mit Statisten arbeiten werden.

0: Wie Peter schon gesagt hat, eigentlich war es ja nicht abzusehen, daß "Steelrose" so ein Erfolg wird.

S: Sicherlich hatten wir auch Glück, aber es gibt uns auch die Bestätigung dafür, daß wir unsere Sache gar nicht so schlecht machen.

0: Durch das Video habt ihr nun auch die Möglichkeit, ganz andere Leute anzusprechen, zumal euer Sound immer "offener" wird.

S: Ja sicher, ich denke aber, daß wir mit der neuen Platte auch wieder vermehrt die Leute ansprechen werden, die uns vorgeworfen haben, wir seien zu kommerziell geworden. Ich kann mir gut vorstellen, daß "Eon:Eon" auch sie berührt. Es ist von der Intensität, von der Härte, der Atmosphäre her das beste Pitchfork-Album, das wir je gemacht haben.

0: Sonst hättet ihr es wohl auch kaum produziert.

S: Aber auch vom Bewußtsein her ist es diesmal anders, wir haben noch gar nicht so den Abstand dazu, sind aber alle schon jetzt völlig begeistert.

0: Was verspricht du dir von der US-Tour?

S: Ich hoffe, daß wir gesund ankommen und auch gesund wieder zurückkehren, und daß wir erfolgreich sind. Und wie sich das im Vorfeld abzeichnet, scheint es auch so zu werden. Es scheint so, als ob die ziemlich auf uns abfahren. Ich hoffe halt, daß wir in Amerika ein Standbein kriegen.

0: Ein Monat am Stück touren ist doch ganz schön hart?

S: Das ist mir egal, ich liebe es, zu touren, und ich wollte nie etwas anderes; da ist es egal, ob es hart ist.

0: Was macht für dich das Tourleben aus?

S: Man gewinnt immer ganz neue Eindrücke, vor allem, wenn man in einem anderen Land spielt. Ich bin unheimlich gern unterwegs und lerne andere Leute kennen, selbst wenn es anstrengend ist auf Tour und man auch häufig unausgeschlafen ist.

0: Peter hat mir schon etwas über die Story der Platte erzählt; hast du diesmal auch an den Texten mitgearbeitet?

S: Ich habe diesmal bei einem Song, der schon etwas älter ist, den Text geschrieben und auch gesungen. Aus der Sicht dieses Computers versuche ich zu vermitteln, wie auch er erkennt, daß etwas nicht stimmt. Er versucht, ein Gefühl zu entwickeln, was aber nicht funktioniert. Ich habe mich da ein wenig an Odyssee 2001 orientiert, wo der Computer zwar keine Seele hat, aber dennoch erkennt, daß etwas Merkwürdiges vor sich geht, und auch er ein wenig traurig wird; der Song ist deshalb recht melancholisch geworden. Alles in allem ist es ein sehr düsteres Endzeitszenario, aber es soll dazu animieren, sich Gedanken zu machen und etwas im positiven Sinne zu verändern.

0: Wenn ich das richtig verstanden habe, dann soll der positive Ansatz der sein, den menschlichen Aspekt wieder verstärkt aufleben zu lassen?

S: Ja, in diesem Sinne. Einfach nicht alles zuzulassen. Gerade das Kloning, wenn es plötzlich jemanden zweimal gibt, kraß. Mächtige Menschen wie Bill Gates mit seinen Absichten in mehrfacher Ausfertigung... ich weiß nicht, ob das so gut wäre.

0: Aber gerade Genmanipulation kann Menschen, die, ansonsten kaum eine Lebenschance haben, die Möglichkeit geben, ein "normales " Leben zu führen. Wie soll man denjenigen beibringen, daß es wohl besser ist, auf derartige Technologie zu verzichten?

S: Ich will mich gar nicht allzu sehr auf dieses Thema versteifen, vieles ist aus meiner Vorstellung heraus geboren. Ich selbst habe auch ein Kind, und wenn ich dann mitkriege, wie sehr die Kinder durch Fernsehen und vor allem Werbung beeinflußt werden, besorgt mich das schon.

0: Aber du hast die Möglichkeit, dagegen vorzugehen.

S: Sicherlich hab' ich die, wenn auch nur eingeschränkt. Ich kann versuchen, ihm zu zeigen, was aus meiner Sicht richtig ist, ihn dazu anhalten, beide Seiten einer Sache zu betrachten.

0: Was hältst du von dem Vorwurf, daß euch zunehmend der Bezug zu "Alltag/Realität" abhanden gekommen ist, da ihr als "Berufs-Musiker" doch eher ein ungewöhnliches Leben führt?

S: Ach, das stimmt doch nicht. Sicherlich wir haben nicht diesen 8-Stunden-Job, aber immerhin haben wir viele Freunde, die einer ganz normalen Arbeit nachgehen, und von daher ist der Austausch da. Ich kenne die alltäglichen Probleme, und zum Beispiel bringe ich meinen Sohn auch morgens in den Kindergarten und unterhalte mich dort mit den Müttern anderer Kinder. Ich mache genauso alltägliche Dinge wie Staubsaugen, Waschen und Essen kochen, da ist kein Unterschied. Klar, wir werden mit anderen Sachen konfrontiert, die jemand, der acht Stunden in die Firma geht, nicht kennt. Aber wir haben uns auch ganz bewußt ausgesucht, diesen Weg zu gehen, weil wir eben unabhängig sein wollen. Ich jedenfalls bin glücklich, daß ich mich so entschieden habe und meine Leidenschaft zum Beruf gemacht habe. Sieh es mal so: wenn wir uns zu weit von der Realität entfernt hätten, dann ließen sich auch unsere Plattenverkäufe nicht erklären, denn schließlich identifizieren sich die Leute auf irgendeine Art mit uns. So falsch können wir also nicht liegen.

0: Du empfindest euch also nicht als abgehoben?

S: Nein, überhaupt nicht. Sicherlich, wir haben Glück, daß unsere Gedankenwelt so großen Zuspruch findet, wir wissen aber genau, daß unser Erfolg durch die Fans kommt. Mir ist es auch wichtig, auf Festivals zum Beispiel, den Kontakt zu den Fans zu suchen, ihnen auch die Möglichkeit zu geben, uns kennenzulernen und umgekehrt. Und so sind auch schon einige Freundschaften entstanden.

0: Ich denke, das kann man als Schlußwort so stehen lassen. Wie gesagt, viel Spaß in den USA. Macht's gut.

S: Wir werden uns sicherlich noch über den Weg laufen, bis dahin. Ciao.